Geschichtliche Entwicklung
Schon bald nach dem zweiten Weltkrieg wurde auch im Marburger Raum die Kinder- und Jugendarbeit wieder aufgebaut. Hierbei gründeten am 01. April 1951 in Wolfshausen bei Marburg 25 Gruppen den „Hessischen Volkstanz- und Trachtenkreis“ (HVT) und wählten Hildegard Gutjahr zur Vorsitzenden sowie Kreisjugendpfleger Walter Gutjahr zum Geschäftsführer.
Recht schnell schlossen sich weitere Gruppen aus ganz Hessen an. Schon frühzeitig knüpfte man Kontakte zu anderen Gruppen im In- und Ausland und führte gemeinsam mit Volkstanz- und Trachtenexperten Lehrgänge und Seminare durch.
Im Laufe der Zeit entwickelten sich aus den Jugend- auch Erwachsenengruppen und neue Gruppen schlossen sich an. Längst war die HVT kein kleiner Trachtenkreis mehr, sondern wuchs zu einer flächendeckenden Landesorganisation, die 1967 ihren Namen in „Hessische Vereinigung für Tanz- und Trachtenpflege“ änderte.
Die Jugendarbeit wurde durch den Hessenjugendplan gefördert, sah jedoch keine Förderung der Erwachsenengruppen vor.
Die kulturelle Förderung der Erwachsenengruppen begann in 1961.
Beim 1. Hessentag in Alsfeld zogen 10 Trachtengruppen zu einem Presseempfang der Staatskanzlei und baten um eine Aussprache mit dem damaligen Ministerpräsidenten Georg August Zinn, der auch mit seinen Kabinettskollegen auf dem Vorplatz des Hotels „Krone“ erschien. An diesem Abend wurde zugesagt, dass das Land Hessen die Arbeit der HVT zukünftig fördern werde.
Die Förderung erfolgte nunmehr bis 2015 unmittelbar durch die Hessische Staatskanzlei, seit 2016 durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK).
Nachdem das Land nun jährlich Landesmittel bereitstellte, konnte sich die HVT rasch weiterentwickeln, Landestagungen durchführen, Zuschüsse zur Trachtenbeschaffung und Trachtenerhaltung an ihre Mitgliedsgruppen weitergeben und auf allen nachfolgenden Hessentagen die Ergebnisse ihrer erfolgreichen Arbeit präsentieren.
Einen Höhepunkt fand die Würdigung der ehrenamtlichen Verbandsarbeit darin, dass der Hessische Ministerpräsident im Jahr 1968 ein Ehrenzeichen stiftete, das in drei Stufen (Bronze, Silber, Gold) auch heute noch an verdiente Mitglieder und Gruppenleiter verliehen wird.
Im Jahre 1986 wurde die Jugendorganisation der HVT, der Bund kultureller Jugend (BkJ), gegründet, der das seit 1975 jährlich veranstaltete Landeskindertrachtentreffen (LKTT) seit 1988 als größtes, überregionales hessisches Kindertrachtenfest in der Stadt durchführt, die im folgenden Jahr den Hessentag ausrichtet.
Heutige Aktivitäten
Bereits 1960 wurde die erste Hessentanz-Platte herausgegeben und kurz danach das erste Hessische Trachtenbuch zusammengestellt. Darüber hinaus war die HVT Mitherausgeber zweier weiterer Schallplatten mit hessischen Tänzen sowie der beiden Hefte „Volkstänze für Hessen“.
In ihrer Art einmalig sind das 1988 zusammengestellte Buch „Volkstänze in Hessen“ und die 2001 erschienene vierte erweiterte Auflage des Buches „Trachtenland Hessen“. In dieser Publikation präsentieren sich der Landesverband und alle Mitgliedsgruppen sowie befindet sich allerhand Interessantes über Trachten und Brauchtum.
In der Folgezeit entstanden viele weitere Bücher zu verschiedenen Themen rund um das hessische Brauchtum sowie weitere CDs inkl. DVDs mit hessischen Volkstänzen und den dazugehörigen Tanzbeschreibungen.
Seit 1961 hat die HVT an allen Hessentagen teilgenommen und das „Fest der Hessen“ über lange Jahre hinweg mitgestaltet und geprägt. Das Zelt der HVT „Trachtenland Hessen“ auf den jährlichen Hessentagen ist Anziehungspunkt tausender Gäste mit einem abwechslungsreichen, 10 Tage andauernden Volkstanz-, Volksmusik- und Brauchtumsprogramm.
Ab 1971 wurde das Hessentagspaar überwiegend von der HVT benannt und hinsichtlich der Tracht beraten.
Hessen ist bundesweit das Land mit der größten Trachtenvielfalt. Aus diesem Grund sind Erforschung, Pflege und Erhaltung der heimatlichen Trachten ein Schwerpunkt innerhalb der HVT.
Durch das große Engagement in der Trachtenpflege wurden schon zahlreiche Trachten vor dem Vergessenwerden gerettet. Auch konnten Trachten, welche bereits als ausgestorben galten, wieder zu neuem Leben in ihrer Region erweckt werden.
Ein großer Teil der finanziellen Mittel der HVT wird für den Erhalt und die Neuanschaffung von Trachten in den Mitgliedsgruppen verwendet, an der Bereitstellung der finanziellen Mittel beteiligt sich die Hessische Landesregierung in dankenswerter Weise. Die Musik und Tanzbeschreibungen der alten Tänze wurden früher oftmals mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Die HVT arbeitet ständig daran, für diese Tänze Notensätze und Tanzbeschreibungen zu erstellen, die Tänze neu einzuspielen und auf CDs und DVDs zu archivieren.
Ein gelungenes Beispiel für diese Bemühungen sind die beiden CDs mit dem Titel „fast vergessen… wiederentdeckt“, in der vom HVT-Bezirk Mitte viele Tänze neu bearbeitet wurden.
In dem Bildband „Tagewerk und Abendmahl – Hessische Trachten – Fotografien aus den fünfziger Jahren“ (2009) wird eindrucksvoll das tägliche Leben in den Regionen Schwalm, Schlitzerland und in den katholischen Dörfern rund um die Amöneburg dargestellt. Die Publikation ist mit humoristischen Anekdoten des damaligen Fotografen Prof. Dr. Wolf Lücking sowie wissenschaftlichen Abhandlungen über die Trachten in diesen Regionen zu den unterschiedlichen Anlässen und Jahreszeiten angereichert.
Die HVT hat in drei Filmen alte Traditionen, Sitten und Bräuche vor den Kulissen des Hessenparks Neu-Anspach dokumentiert. Weiterhin wurde die Vielfalt der hessischen Mundart auf Schallplatten, Kassetten und CDs aufgenommen.
Zu den regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen innerhalb eines Jahres gehören u.a. Landesversammlungen und -tagungen, zahlreiche Seminare und Fachtagungen auf Bezirks- und Landesebene, die Ausbildung von Tanzleitern und die Verleihung des Volkskunstsiegels.