Vorstellung
Die Watzenborner Tracht gehört zur Hüttenberger Tracht, aus der sie hervorgegangen ist und wurde in dieser Form nur in Watzenborn-Steinberg bis um die Jahrtausendwende getragen. „Der Hüttenberg“ ist ein altes Amt zwischen Gießen, Wetzlar und Butzbach, eines der reichsten und fruchtbarsten Gebiete Hessens was auch in der Blütezeit der Tracht von 1900-1930 mit kostbaren Bändern aus Samt und Seide zum Ausdruck gebracht wurde. Dies insbesonders bei der Brauttracht, die darin den Hochzeitsschmuck der Mardorfer und Schwälmer Braut übertraf . Bei der Watzenborner Tracht handelt es sich zu Beginn des 20.Jahrhunderts um eine nicht mehr ganz so reichlich mit Bändern geschmückte Hüttenberger Tracht. In Watzenborn-Steinberg trug man zu dieser Zeit zwei Arten von Trachten, die „Platten“ und die „Halblangen“. Die „Platten“ hatten die Haare zu einem Kranz um den Kopf gelegt, die „Halblangen“ am Hinterkopf zu einem Schnatz gesteckt. Die Frauen der Volkstanz- und Trachtengruppe tragen die „Platten“-Tracht, da diese in der Tradition die Ältere ist. Die „Halblange“-Tracht wird häufig auch als Übergangsform zur städtischen Kleidung bezeichnet, wobei häufig dann die Haare auch als Nackenknoten getragen wurden.
Frauentracht als Festtagstracht
Hemd
Das Hemd besteht aus weißem Leinen mit Zwickel im Ärmel. Am Halsausschnitt mit kleinen Spitzen verziert.
Unterhose
Die Unterhose aus weißem Leinen, unten offen, reicht bis an das Knie, wird mit schmalen weißen Bändern um die Taille gebunden , an den Beinen mit Spitzen besetzt.
Leibchen
Eine Art Mieder, aus dunklem Stoff oder Samt mit Nessel abgefüttert. Wird vorne zugeknöpft („Knöppleibchen“) oder mit einer bunten Schnur („Schnürleibchen“) geschnürt. Ein in der Taille angenähter, mit Schafwolle oder Roßhaar gestopfter Wulst gibt den Unter- und den schweren Oberröcken Halt.
Motzen
Der Motzen besteht aus Samt oder feinem Seidenstoff, ist mit dünnem Futterstoff abgefüttert und bedeckt den Oberkörper. Das Vorderteil ist glatt und halsfern während am Rückenteil ein kleines Schößchen sich auf den Wulst des Leibchens legt. Die Ärmel sind mit gleichem Band wie Rock und Schürze besetzt.
Dreiecktuch
Unter dem Motzen wird ein mit Spitze besetztes weißes Halbleinen-Dreiecktuch mit einer Brosche zusammengesteckt getragen.
Halstuch
Das Hals aus gemusterter Seide und farblich zu dem Gewand abgestimmt. Am Rand sind ca. 10 cm lange Franzen angeknüpft. Wird halsfern getragen und vorne zusammen gebunden.
Unterrock
Leichter Wollstoff. Am unteren Rand wird der Rock innen mit 8 cm breitem hellen Stoff und außen mit einem 4 cm breitem bunten Waschband verziert.
Oberrock
Aus schwerem Tuch oder Samt, 3,20 m weit, unten wird der Rock mit breitem, buntem, glänzendem Band und mit Perlen, Stabperlen und „Kettchen“ besetzt.
Taschensack (Doaschesack)
Der Taschensack wird unter der Schürze getragen. Die Oberseite ist mit Blumenmotiven, Namen und Jahreszahl bunt bestickt. Mit Schnüren wird er um die Taille gebunden.
Schürze
Die Schürze ist aus dem gleichen Stoff wie der Motzen und ist am Bund in enge Falten gelegt. Eine rundum laufende glänzende Borde und ein „Kettchen„ aus Pailletten oder Glasperlen geben der Schürze ein schmuckes Aussehen.
Strümpfe
Die Strümpfe sind aus schwarzer Wolle gestrickt.
Strumpfbänder
Bunt gestickt auf Stramin. Mit hellem Stoff abgefüttert und mit Haken und Ösen versehen.
Schuhe
Schwarzes Leder mit Samt überzogen. Holzstifte zur Befestigung der Absätze und der Sohle. Über einen Leisten geschlagen. Vorne mit Perlen bestickte Schleife.
Schmuck / Brautschmuck
„Im Hüttenberg“ trägt die Braut eine mehrfache Kette aus kleineren silbernen Glasperlen. Ältere Ketten zeigen noch einen Silberdurchschuß und ein graviertes Schloß. Eheringe waren vor dem 1.Weltkrieg kaum bekannt, wohl aber silberne Braut- oder Treueringe die die Braut zum Wenkoff ( =Weinkauf, Verlobung) erhielt, später aber nur zu besonderen Festtagen trug. Dabei weist „der Hüttenberg“ besonders schöne Stücke auf und in Watzenborn-Steinberg ist ein wunderbares Exemplar noch erhalten.
Der Brauthang ist ein diademartiger Kranz mit zwei Bändern auf dem Rücken. In den Kranz und die Bänder wurden Blumen, Glasperlen, Glasfrüche etc. eingeflochten.
Hemdsärmelige / winterliche „Alltagstracht“
Die hemdsärmelige Alltagstracht wird häufig auch als „Sommertracht“ bezeichnet, wobei eine Schürze aus kariertem oder weißem Leinenstoff, ein Leinenhemd und ein Leibchen getragen wird. Bei der winterlichen Alltagskleidung kommt eine weite Jacke aus z.B. blau-weißem Baumwollstoff und ein Wollkopftuch dazu.
Männertracht
Bei festlichen Anlässen tragen die Männer ein weißes Leinenhemd mit Kragen und schwarzer Querschleife. Hose und Weste sind aus schwarzem Wollstoff gefertigt, der Gehrock aus schwarzem glänzendem Tuch oder Wollstoff. Er reicht bis an die Knie und wird vorne geknöpft. Hinten in der Mitte befindet sich ab der Gürtellinie eine offenen Falte. Als Kopfbedeckung wird ein schwarzer Zylinderhut mit einem glänzenden Ripsband versehen getragen.
Als Hochzeitsschmuck trägt der Mann auf der linken Brustseite des Gehrocks einen ca. 20 cm langen Strauß mit Blumen, Glasperlen und bunten Bändern.
Sommer- oder Arbeitstracht
Die Leinenhemden tragen ebenso wie die verzierten Hosenträger mit Straminstickerei die Initialen des Besitzers und teilweise die Jahreszahl des Eintritts in die Volkstanz- und Trachtengruppe.
Weitere besondere Anlässe der Tracht
- Abendmahlstracht
- Hochzeitstracht
Quellenhinweise
Literaturempfehlungen
- Adolf Spamer 1939 Hessische Volkskunst Eugen Diederichs Verlag Jena, S.66-67.
- Hans Rezlaff und Rudolf Helm 1949 Hessische Bauerntrachten Elwert- Gräfe und Unzer Verlag Marburg.
- Wolf Lücking 1959 Trachtenleben in Deutschland III Hessen Akademie -Verlag Berlin, S.19.
- Georg Erhardt 2000 Zur Watzenborn-Steinberger Tracht in: Hrsg: Heimatvereinigung Schiffenberg e.V., O.V. Watzenborn-Steinberg Festschrift 20 Jahre Volkstanz – und Trachtengruppe 1980-2000, S. 39-40.
HVT-Gruppen mit Watzenborner Tracht
Vokstanz- und Trachtengruppe Watzenborn-Steinberg der Heimatvereinigung Schiffenberg e.V.
Dieter Schäfer
d.schaefer.54@web.de
www.hv-schiffenberg.de