Kurzbeschreibung
In Herbstein springt das Tiroler Pärchen zur Foaselt dem Winter davon.
Details
Herbstein ist ein kleines Städtchen von ca. 2.200 Einwohnern. Herbstein liegt im Vogelsbergkreis in Hessen. Herbstein ist im Gegenteil zu den umliegenden Dörfern katholisch geprägt. Aus diesem Grund konnten sich uralte Fastnachtstraditionen halten und gerieten nicht in Vergessenheit.
Am Rosenmontag ab 10:11 Uhr ist der Höhepunkt für den Herbsteiner Bajazz und seine sechs Pärchen gekommen. Der Bajazz springt dem Rosenmontagsumzug voran, ihm folgt eine farbenfrohe Narrenschar. Viele Traditionsfiguren nehmen an dem Umzug teil, die alle eine uralte Tradition besitzen.
Der Strohbär und sein Treiber, der Storch und die Hebamme sowie das Siebpferdchen beruhen auf uralten heidnischen Bräuchen. Anders ist es beim Bajazz und seinen sechs Pärchen, der auch als „Herbsteiner Springerzug“ bezeichnet wird.
Sieht man den Bajazz mit den sechs Pärchen durch die Straßen springen, kann man viele Ähnlichkeiten mit den alten, urigen Tiroler Fastnachtsbräuchen erkennen. Das erste Pärchen wird als „Tiroler Pärchen“ bezeichnet. Es trägt eine typische Tiroler Bauerntracht. Auch die hohen, spitzen, Kopfbedeckungen der Pärchen findet man in ähnlicher Form noch heute bei einigen Tiroler Fastnachtsfiguren.
Bei dem Fastnachtszug in Axams, einer Gemeinde in Tirol, springt, das sogenannte Buijazzl dem Zug voraus. Auch in Fiss begegnen wir dem Bajatzl, der an der Spitze des Zuges durch das Dorf springt.
In der frühen Neuzeit waren viele Tiroler gezwungen, ihren Lebensunterhalt außerhalb der Heimat zu verdienen, denn manche Alpentäler konnten die wachsende Bevölkerung nicht mehr ernähren. Gleichzeitig wurden in weiten Teilen Deutschlands, auf Grund von kriegs- und seuchenbedingten Menschenverlusten, Arbeitskräfte gesucht. So zogen jährliche zahlreiche Alpenbewohner nach Norden. Ein beträchtlicher Teil von ihnen kehrte nicht mehr zurück, sondern ließ sich dort nieder.
Das war auch im kleinen Städtchen Herbstein der Fall. Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass hier viele Jahrhunderte hindurch Tiroler Handwerker, meist Steinmetze und Maurer, arbeiteten.
Die Tiroler Handwerker waren verpflichtet, sich bei der Arbeitssuche, nur in katholische Orte zu begeben. Zeitweise wurde dies auch streng überprüft. In dieser Hinsicht stellte Herbstein einen geradezu idealen Standort dar.
Herbstein bildete eine katholische Enklave in einem weiten protestantischen Umfeld. Neubürger durften erst nach strenger konfessioneller Prüfung aufgenommen werden. Diesbezüglich hatten die Tiroler einen großen Vorteil gegenüber den Bewohnern der Nachbarorte.
Die Isolation Herbsteins führte dazu, dass sich ein außergewöhnliches Fastnachtsbrauchtum entwickelt hat: Die Herbsteiner „Foaselt“.
Das besondere an der „Foaselt“ ist der Springerzug. Er besteht aus seinem Anführer, dem Bajazz, und dessen sechs Pärchen. Bezeichnenderweise bildet das erste davon das so genannte „Tiroler Pärchen“, das sich von den anderen deutlich abhebt.
Der Mann, des ihm folgenden Pärchens, trug bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts einen Hut aus Stroh, und sein blaues Gewand war mit auffälligen silbernen Fransen verziert. Die Kopfbedeckung aus Stroh, ein „minderwertiges, ausgedörrtes, unfruchtbares“ Abfallprodukt, stellt den dürren Winter dar. Und so sprang das schön gekleidete, jugendliche, kraftvolle Tiroler Pärchen, den Frühling darstellend, dem dürren, alten Winter voran.
Auf die Herkunft aus Tirol verweist auch das wichtigste und ursprünglichste Element des Herbsteiner Fastnachtsbrauchs: Das „Aufspielen“ vor dem Haus angesehener Bürger und Geschäftsleute. Die Art und Weise wie der Bajazz mit seinem Springerzug diese Leute samt deren Familien einlädt und durch mehrmaliges Hochspringen auf der Stelle hochleben lässt, um dann von den Geehrten eine Spende zu empfangen, entspricht einem alten Heischebrauch.
Der Erbsenstrohbär
Er ist eine uralte Traditionsfigur, welche auch in anderen Fastnachtsregionen zu finden ist. Er gilt als Sinnbild des Winters, der nun an die Kette gelegt wird und somit dem Frühling weichen muss. Für den Bären wird in den Herbstmonaten Erbsenstroh gesammelt, von dem dann meterlange schmale Geflechte gewickelt werden. Diese werden dann am Rosenmontag einem jungen Burschen an seine Kleider um den Körper gewickelt und genäht. Mit einem großen Bärenkopf versehen und an einer Kette befestigt, wird er dann von seinem ebenfalls maskierten Treiber durch die Straßen geführt. Der Treiber veranlasst dann den Bären durch schlagen eines Tamburins zum tanzen.
Das Siebpferdchen
Das Siebpferdchen ist eine Scheinreiterfigur, deren Name die ursprüngliche Konstruktionsweise verrät. Man befestigte sich Getreidesiebe am Körper und verkleidete diese mit Kartoffelsäcken. Ein Pferdekopf aus Weidegeflecht gibt der Figur das endgültige Aussehen.
Der Storch
Der Storch gehört schon lange zur Herbsteiner Foaselt, seine Erklärung fällt nicht schwer, zählt der Storch doch allgemein als Symbol der Fruchtbarkeit sowie als Bote des sich nähernden Frühlings. Zu Ihm gesellen sich in neuerer Zeit Arzt und Hebamme.
Die Kehrer
In einem Video vom ersten Rosenmontagsumzug 1949 nach dem Krieg wurde diese Figur gesichtet. Die Kehrer hüpften vor dem Bajazz und fegten die Straße sauber. Sie haben die Aufgabe, den Winter von der Straße zu fegen, so dass der Bajazz und seine Pärchen springen können.
Im Video von 1949 erinnerte die Figur auch stark an eine Vogelscheuche, da aus den Taschen und aus dem Hut Stroh hervorschaute. Warum und vor allem wann diese Figur nicht mehr dargestellt wurde, ist nicht nachweisbar.
Im Rahmen des „Maskensprunges“ im Jahr 2012, wurde diese Figur wiederbelebt. Die „alte“ Figur kam sehr gut bei der Bevölkerung an, so dass die Kehrer auch heute wieder am Rosenmontag durch Herbsteins Straßen fegen. Der Kehrer übt ebenfalls einen speziellen Sprung aus, so dass es keine leichte Aufgabe ist, ihn darzustellen.