Kurzbeschreibung

Im Odenwald war stets ein reicher Kindersegen vorhanden. Sieben bis acht Kinder waren die Regel, zwölf Kinder keine Seltenheit. Zum einen lag es an der hohen Kindersterblichkeit, die für größeren Nachwuchs sorgen ließ, zum anderen war es für die Kindseltern einen gute Altersversorgung, denn Altersrenten im heutigen Sinne gab es nicht. So waren die Kindseltern in hohem Alter auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen.

Details

Um das Wunder der Geburt ranken sich schon seit Jahrtausenden unzählige Traditionen und Rituale.

Erzählungen zufolge bringt in weiten Teilen des Odenwaldes die Hebamme, die "Ammebäsel" genannt, die Kinder ins Elternhaus.
Anderen Geschichten zufolge holt die "Ammebäsel" die Kinder aus einem Brunnen und übergibt sie anschließend den zukünftigen Eltern. In wiederum anderen Regionen muss der Storch, "Klapperstorch" genannt, als Kindsbringer mit seinem Namen herhalten.

Bevor ein neuer Erdenbürger in sein Leben im Odenwald eintritt, gibt es bereits Riten und Gebräuche, die es zu beachten gilt. Welche werdende Mutter oder Vater wollte sich nachsagen lassen, dass sie nicht alles für das spätere Wohlergehen ihres Nachwuchses getan hätte? Es gilt durch bestimmte Verhaltensweisen das Unheil von dem ungeborenen Kind und der Mutter abzuwenden. Selbstverständlich ist das Ungeborene noch nicht selbst in der Lage, das Geschick in die eigenen Hände zu nehmen. Umso mehr ist die werdende Mutter gefordert, für den zu erwartenden Nachwuchs alles zu tun, damit keine Missbildungen, Krankheiten oder Unheil über das erwartete Kind hereinbrechen können.

Wurde bekannt, dass eine Frau "in anderen Umständen" war, veränderte sich deren Tagesablauf in wesentlichen Teilen.

- Die Frau soll während ihrer Schwangerschaft kein Garn wickeln.
- Das Haspeln war zu meiden.
- Sie durfte nicht unter einer Wäscheleine hindurchgehen.
- Die leere Kinderwiege durfte nicht geschaukelt werden.
- Keine hässlichen Gegenstände oder Menschen betrachten.
- Nachts nicht alleine ausgehen.

Diese Verhaltensregeln, die der werdenden Mutter auferlegt wurden, sollte der Neuankömmling vor gesundheitlichen Schäden bewahrt und auf seinen späteren Charakter Einfluss nehmen werden.

Nach der Geburt gab es weitere Verhaltensweisen zu beachten.

- War das Kind dann geboren, durfte dieses nicht aus dem Fenster heraus gehalten werden (Wachstumsstörungen).
- Man durfte sich nicht breitbeinig über das Kind stellen (Wachstumsstörungen)
- Dem Kind durften die Fingernägel nicht geschnitten, sondern mussten abgebissen werden (Neigung zum Diebstahl).
- Das Kind durfte dem Regen nicht ausgesetzt werden (Sommersprossen).
- Fing das Kind zu lallen an, wurde der Mutter ein hartgekochtes Ei, das so genannte "Babbelei", überreicht. Zuvor wurde dieses Ei um die Mundöffnung des Säuglings herum geführt, um anschließend in den Mund gesteckt zu werden. Dieses Ritual sollte dem Säugling das Zahnen und das Sprechen lernen erleichtern. Das "Babbelei" wurde von der Mutter sorgfällig aufbewahrt.

Der Säugling verbrachte die Anfangszeit seines irdischen Daseins meist in der Wiege. Diese Wiege war in der Regel ein Familienerbstück und wurde zum Anlass der Geburt innerhalb der Familie weitergereicht.

Die Ankunft



Das Neugeborene wurde zum Zeichen, dass es in diesen Haushalt aufgenommen wurde, die vier Ecken des Zimmers gezeigt. Weiterhin wurde dem Neugeborenen bei seiner Ankunft sofort ein Buch, meist die Bibel, vor Augen gehalten, um aus diesem Buch die Klugheit in sich aufzunehmen.

Name vor der Taufe



Bis zur Taufe blieb der Neuankömmling namenlos. Die männlichen Wesen erhielten einfach den Namen "Pfannenstielchen" und die Mädchen wurden "Rosenstielchen" gerufen.

Die Patenschaft



In manchen Gegenden des Odenwaldes war es für den Vater des Neugeborenen eine Pflicht, den Paten oder Patin auszusuchen. Dazu musste er ganz offiziell bei der auserwählten Person vorsprechen. Andere Gegenden des Odenwaldes hielten an dem Brauch fest, dass eine Person sich als Pate oder Patin anbieten würde. In jedem Fall wurde es als Beleidigung aufgefasst, wenn eine angetragene Patenschaft abgelehnt wurde.

Die Taufe in der christlichen Form bedeutet "waschen, reinigen, eintauchen". Erst mit der Taufe eines Kindes wird dieses in der christlichen Gemeinschaft aufgenommen. Die Taufe eines Kindes wurde möglichst frühzeitig, meist sogar noch bevor die Mutter des Kindes das Kindbett verließ, durchgeführt. Die Kindersterblichkeit war sehr hoch und selbstverständlich wollte niemand, dass das Neugeborene mit der "Erbsünde" ungetauft verstarb.

Zeremonie



Die Zeremonie der Taufe wurde in der Regel in der Kirche vor der versammelten Gemeinde durchgeführt. Nur in Ausnahmefällen durfte die Taufe zu Hause vorgenommen werden. Vor der Taufe erhielt der Täufling entsprechend des Ehrentages ein Taufkleid, das aus dem Familienbesitz stammte. Der Kopf wurde mit einem reich bestickten Taufhäubchen, ebenfalls aus Familienbesitz, geschmückt.



Akteure



Im Odenwald war es üblich, dass die Hebamme den Täufling auf einem reich verzierten Seidenkissen zur Taufe trug und erst in der Kirche den Täufling an die Paten weiter reichte. Die "God" oder der "Pettern" hatten sich mit Rosmariensträußchen geschmückt.

Namensgebung



Gemeinsam war man nun bereit, den Täufling über das Taufbecken zu halten und ihm seinen richtigen Namen zu verleihen. So war es üblich, dass ein Namenbestandteil des Kindes aus dem Namen des Paten bestand. Zusätzlich erhielt das Kind noch einen weiteren Namen. Beide Namensbestandteile wurden im wirklichen Leben zu einem Namen zusammen gezogen.

Der Heimweg



War die offizielle Taufzeremonie vorüber, wurde der Täufling unter Anteilnahme der Gemeinde nach Hause begleitet. Wohlhabende Familien warfen auf dem Weg zur Heimstatt Münzen, die von den jüngeren Gemeindemitgliedern begeistert aufgesammelt wurden. Die "God" oder der "Pettern" trug den Säugling über die Schwelle des Hauses. Ein Reisigbesen, der quer vor dem Hauseingang lag, musste hierbei überstiegen werden, damit die "bösen Geister" nicht mit ins Haus schlüpfen konnten.



Tauffeier



War das Haus betreten, trug der/die Pate/Patin das Kind von Raum zu Raum, damit der Säugling das Haus symbolisch in Besitz nehmen konnte. Eine Tauffeier fand nur im engsten Familienkreis statt und wurde nur durch die Hebamme und die Paten erweitert.

Eckdaten