Kurzbeschreibung
Thomas Maul hat uns eine ausführliche Abhandlung zum Thema Kerb im Lautertal und im Kreis Bergstrasse (vorderer Odenwald) zur Verfügung gestellt. Im Folgenden wird ein Abriss dieser Abhandlung dargestellt. Wer Interesse an der Gesamtdarstellung hat kann folgende Datei öffnen.
Kerb im vordern Odenwald (Thomas Maul gesamt)
Details
Kerb und deren Figuren im vorderen Odenwald
Wie dem auch immer sei, eines ist unbestritten, der höchste Feiertag an der Bergstrasse und im gesamten südhessischen Raum ist nicht etwa Weihnachten oder Ostern, nein, es ist und bleibt die Kerb. Egal ob Kerb, Kirb, Kerwe oder Kirwe genannt, es ist der Tag bzw. das Wochenende im Jahr welcher von den meisten Dorfbewohnern sehnlichst herbei gewünscht wurde und noch immer wird.
Die Ursprünge der Kerb sind noch in heidnischer Zeit, und zwar in alten germanischen, vielleicht auch keltischen Erntebrauchtumsfesten zu suchen, welche in christliche Zeit mit übernommen und angepasst wurden.
Heinrich Winter führte zwischen 1938 und 1945 im Kreis Bergstrasse eine Dorfältestenbefragung zum Thema Jahreskreislauf im 19. Jahrhundert durch. Dabei ergab sich ein besonderer Schwerpunkt zum Thema Kerb.
Kerbnamen
Viele Kirchweihfeste trugen auch noch einen anderen Beinamen wie nur Kerb oder Kerwe
- Brennesselkerwe
- Quetschekuchekerb / -kerwe
- Michelskerb
- Mauchelscheskerb / Maugelscheskerb
- Kischdelbriehkerb
- Dahlkerwe
- Brootworschtkerb
- Gibbelkernkerwe
- Saikrischekerb
- Allerheiligenkerwe
- Bäigkerb
- Meerettichkerb
- Keeskuchekerwe
- Laurentiuskerwe
Der Name Brennesselkerb rührt daher, weil es an diesem Tag meistens Brennesselgemüse gab.
Der Name ist Programm.
Die Kerb richtet sich nach dem heiligen Michael.
Der Name Mauchelscheskerb kommt von den gleichnamigen Birnen die um diese Jahreszeit reifen.
Der Name bedeutet auf Hochdeutsch so viel wie Kastanienbrühe.
Talkerb / -kerwe
Bratwurstkerb
Brennesselkerwe oder Gibbelkernkerwe
Der Name der Kerwe rührt daher, das um diese Zeit Brennesseln und Taubenkropf (Silene Vulgaris) die einzigen Gemüsesorten waren die auf den Tisch kamen.
Dieser Name kam von den, um diese Zeit reifenden kleinen Pflaumen (Zibarten).
Bergkerb
Käsekuchenkerb
Sie ist nach dem heiligen Laurentius benannt.
Woher kommt der Namen Kerb?
Eine Möglichkeit, außer der Verbindung zur Kirche (Kirchweih, Kirmes), ist eine Verbindung mit den Kerbhölzer oder Kerbzettel.
Kerbhölzer oder Kerbzettel
Im Mittelalter, wo eine geregelte Geldwirtschaft noch nicht existierte, mußte und hatte man andere Möglichkeiten gefunden um Waren anzuschreiben und sie später zu verrechnen. Dies geschah mit dem sogenannten Kerbholz, dem Kerbstock oder dem Kerbzettel. Der Kerbstock galt bei mittelalterlichen Gerichten als Beweismittel.
Ein Kerbholz, auch Kerbstock, Zählholz oder Zählstab genannt, ist eine frühzeitliche und mittelalterliche Zählliste; es diente meist dazu, bilaterale Schuldverhältnisse fälschungssicher zu dokumentieren.
Die Menge der zu verrechnenden Waren wurde beidseitig auf ein geeignetes längliches Brettchen oder Holzscheit eingekerbt, oder ein Stück Papier diente dem gleichen Zweck. Danach wurde das Holz zerbrochen (gespalten) oder das Papier zerrissen. Beide Parteien, Käufer und Verkäufer erhielten je ein Stück. Diese Stücke wurden das Jahr über aufgehoben. Wenn dann die Erntezeit gekommen war, somit die einzige Zeit des Jahres, in welcher etwas Überfluß herrschte, wurden dann die Kerbhölzer und Zettel am sogenannten Zahltag gegeneinander verrechnet. Da jedes Kerbholz (durch die Bruchrichtung oder Spaltrichtung bedingt) durchaus als Unikat zu bezeichnen war, konnten somit auch nur jene Hölzer zusammengesetzt werden die auch zusammenpassten. Anhand der Anzahl eingekerbten Kerben konnten dann die Waren verrechnet und bezahlt werden. „Der hat auch noch einiges auf dem Kerbholz“, das heißt, er hat seine Schulden noch nicht bezahlt.
- Rechnungen
- Schulden aus einem Handel
- Steuerquittungen („exchequer tallies“)
- Fangmenge (z. B. Hering) der Fischer-Gemeinschaften
- gewonnene oder verlorene Geldstücke beim Kartenspiel
- gekaufte Brote beim Bäcker
- Bezahlung von Tagelöhnern
Kerwemaijer und Kerwebund
Hierbei handelt es sich um kleinere Fichten, oder Spitzen von großen Fichten die dementsprechend geschmückt wurden. (bunte Bänder Blumen) In diese Fichte wurde nun der Kerwebunt, eine Art großer Gugelhupf eingehängt. Sein Teig war mit viel Butter zubereitet, was dem fertigen Kuchen eine längere Haltbarkeit verlieh.
Kerwemaijer und Kerwebund wurden im Festzug mitgeführt, am Wirtshaus aufgehängt und kamen nach der Kerbrede in den Tanzsaal. Dort blieben sie hängen bis zur Nachkerb, wo der Kerwebund dann zusammen mit vom Kerbwirt gestifteten Kaffee verzehrt wurden.
Kerbtänze
In den unterschiedlichen Dörfern gab es eine Reihe von traditionellen Tänzen, die typisch zum Ablauf der Kerb gehörten. (Siehe HVT CD „ Heit iss Kerb in unserm Dorf“)
Verlauf der Kerb
Träger des Kerb oder Kerwebrauchtums waren in früheren Zeiten alleine die ledigen Burschen des Dorfes. Meistens bis ungefähr zum fünfundundzwanzigsten Lebensjahr. Gab es nur eine Wirtschaft im Dorf, so wurde die Kerb in dieser abgehalten, ansonsten wurde meistens Reihum gewechselt. Wurde die Kerb früher meistens auf zwei Tage begrenzt ( Sonntag und Montag), so ist sie heute in den meisten Fällen um zwei Tage verlängert. (Freitag und Samstag)
Die Woche vor der Kerb
Vielfach begannen schon hier die ersten Vorbereitungen. Die Verwandtschaft mußte eingeladen werden, was nicht selten lange Wege über Land bedeutete. Das Essen mußte vorbereitet werden.
Die Kerbburschen hatten sich schon zusammengefunden eine Kerbkasse organisiert. Verschiedene Dinge, wie zum Beispiel Papier für Dekorationszwecke oder Stoffbänder mußten gekauft werden und schließlich wurden auch die meisten der Verkleidungen der Kerbburschen, die sie am Kerbumzug trugen, aus dieser Kasse bezahlt. Als nächstes wurden die Kuchen zum Backen vorbereitet und meist am Samstag im eigenen, sowie im Backofen des Dorfbäckers gebacken. In einigen Dörfern Südhessens wurde deshalb der Samstag auch als Blechkuchensamstag bezeichnet. Schließlich galt es auch noch die Zutaten zum Kerbkranz wie zum Beispiel Fichtenreisig und oder Buchsbaum, sowie Blumen und andere Dinge die das Symbol der Kerb schmückten zu organisieren. Die Kerbmädchen trafen sich um meistens gemeinsam mit den Kerbburschen das Symbol der Kerb, den Kerbkranz zu wickeln. Der Kerb oder Kerwekranz bestand entweder aus Buchsbaum oder aus Fichte. Aber es gab nicht nur den Kerbkranz als Symbol der Kerb.
Kerbsonntag
Nach dem sonntäglichen Mittagessen wurde der Kerwekranz von Kerbmädchen oder den Kerbburschen in der Nähe des Ortseinganges versteckt und zwar dort, wo man im Jahr zuvor die Kerb beerdigt hatte. Vielfach wurde ein Loch gegraben in das der Kerbkranz hineingelegt und mit Gras oder Laub bedeckt wurde. Es gibt aber auch die Aussagen, dass er in anderen Orten in unmittelbarer Nähe zur vergrabenen Weinflasche versteckt an einem Baum aufgehängt wurde. In einigen Dörfern des Odenwaldes bleibt eine Kranzwache zurück, um zu verhindern das Burschen aus anderen Dörfern den Kranz stehlen. Die Kinder der Orte erhielten an diesem Sonntag von ihren Eltern und Paten das sogenannte Kerbgeld, über das sie ganz alleine verfügen durften.
Kerbmontag
Der Kerbmontag blieb meistens den Dorfbewohnern vorbehalten, da die meisten auswärtigen Gäste meistens schon abgereist waren. Nachdem dir dringenden Tätigkeiten verrichtet waren (Viehfütterung etc.) traf man sich bereits am frühen Nachmittag um gemeinsam den letzten Tag der Kerb zu feiern. Vielfach zogen die Musikanten von Haus zu Haus um den Menschen gegen ein Entgelt oder eine Sachspende (meistens Nahrungsmittel wie Kuchen etc.) ein Ständchen zu spielen. Gegen Abend war dann wieder Tanz in der Kerbwirtschaft angesagt. Dieser Abend endete immer mit einem letzten Tanz, dem sogenannten Kehraus. Nach diesem letzten Tanz zogen die Kerweburschen von den Mädchen begleitet, vielfach mit Trauerflor aus dem Ort hinaus in die Nacht, um die Kerb zu begraben. Hatten sie die vom Kerwepfarrer auserwählte Stelle erreicht, wurde ein Loch gegraben und eine Flasche Wein hineingelegt. Der Kerwepfarrer hielt anschließend daran eine kurze Trauerrede in die alle umstehenden heulend einstimmten. Dann wurde das Loch wieder zugeschaufelt und die Trauergäste gingen zurück in die Wirtschaft um den letzten Schoppen zu trinken.
Figuren der Kerbumzüge im Zeitraum zwischen 1870 und 1900
- Kerb oder Kerwepfarrer
- Bajass
- Doppelgestalt Doppelsiwwel ,Schlumbel, Kerbchristine, Kerwebopp
- Mundschenk, Glöckner
- Krugträger / Diener
- Schornsteinfeger
- Altes Paar/ Bauernpaar / Herrche und Fraache / alter Bauer (Ausgräber)
- Feines Paar oder junges Paar
- Fahnenschwinger / Vorreiter / Kranzreiter / Kranzträger
- Schimmelchen
- Gendarm
- Handwerksburschen
- Zigeuner
- Juden
- Kerbrad
- Hühnerkäufer / Hinkelskääfer / Unnerkääfer
- Maulwurfsfänger / Molbertsfenger
- Strohmann
- Puppenträger
- Fell oder Strohbär
Meist gekleidet wie ein evangelischer Pfarrer. Er trägt einen Hut, ein Bäffchen und ein dickes Buch in seiner Hand. Das Beffchen ist ein Rest des früher unter dem sogenannten „Mühlsteinkragen“ getragenen kleineren Kragens. In einigen Dörfern hatte er sich ein Strohseil um die Hüften gelegt. Vielfach ist auch ein angemalter Bart und ein Schlaraffengesicht bezeugt. Der Kerbpfarrer hält der versammelten Kerbgemeinde die Kerbpredigt.
Er ist scheckig angezogen, mitunter ganz mit Spielkarten behängt. Der Bajass trägt ein Schlaraffengesicht (Maske), hält in der Hand eine Gerte mit einer daran befestigten luftgefüllten Säublase. Er springt dem Zug voraus und verschafft ihm Platz, wobei er auch mit der Säublase auf die Zuschauer einschlägt.
Eigentlich sind es zwei Figuren. Zum einen die Siwwel zum anderen die Doppelsiwwel. Die einfache Siwwel wird von einem Kerbburschen gespielt der sich als alte dicke, unbeholfen wirkende Frau verkleidet hat. Ab und an hat diese Figur eine Rute oder eine mit Luft gefüllte Schweinsblase in den Händen, womit sie allzu neugierige Zugbesucher vertreibt. Die Doppelsiwwel hingegen wird von einem Burschen gespielt, der sich so verkleidet hat, dass es aussieht als wenn eine ältere Frau einen jungen Burschen tragen würde. Im hinteren Odenwald taucht diese Doppelfigur als Schlumpel auf und in den Dörfern rund um die Neunkircherhöhe kennt sie der Kerbgast als Kerbchristine.
Kerbbursche der als Mundschenk des Kerbpfarrers fungiert und ihm während der Kerbpredigt den Messwein ausschenkt. Er ist meistens vornehm angezogen.
In einigen Dörfern schickt der Wirt des Kerblokals einen seiner Bediensteten mit einem großen Krug Wein zum Umzug. Dieser schenkt dann während des Umzuges den Zuschauern Wein aus um sie zum Gang in die Kerbwirtschaft zu animieren.
Er wird von einem Kerbburschen gespielt, der als Schornsteinfeger verkleidet ist. Der Schornsteinfeger trägt eine Leiter, die er auch an den Häusern anstellt. Er heischt um Gaben wie Geld oder Kuchen und sucht die Bewohner auch in ihren Häusern auf.
Zwei Burschen als altes Paar verkleidet. Beide gehen in Tracht. Sie gehen eingehängt und schieben mitunter einen Kinderwagen mit Kind.
Zwei Burschen als fein angezogenes Pärchen das ganz subtil umhergeht, sich nicht um die anderen kümmert und möglichst schön und gesittet geht.
In den Dörfern des Riedes läuft der Fahnenschwinger dem Zug voraus. Er trägt fast immer ein Schärpe in den hessischen Landesfarben. Die Vorreiter ritten, wie der Name schon sagt dem Zug voraus und die Kranzreiter trugen den Kerbkranz an einem Gestell aus Handhaben. Diese Figuren trugen meist schwarze Hosen, weiße Hemden und die oben erwähnte Schärpe in den Landesfarben.
Das Schimmelchen wird aus alten Getreidesieben und Handhaben hergestellt. Einem Burschen werden zwei Handhaben (z.B. Dreschflegelstangen) links und rechts an den Hüften fixiert. Zwischen diese Stangen werden vorne und hinten alte große Getreidesiebe eingebunden. Sie bilden quasi den Pferdeleib. Am vorderen Sieb wird ein aus einem Holzbrett geschnittener Pferdekopf angebracht. Dann wird über den Leib des Pferdes ein Tuch mit einem Loch in seine Mitter gehängt durch welches der Reiter herausschaut. Ein hinten aufgenähter Schwanz vervollständigt den Reiter.
Kerbbursche in alter Uniform. Er hat die Aufgabe die im Zug umherspringenden Handwerksburschen zu fangen und für Ordnung zu sorgen.
Hier sind die Handwerksburschen auf der Walz gemeint.
Kerbburschen die sich als fahrendes Volk (Zigeuner) verkleidet haben. Sie sind meist sehr farbig angezogen und in den meisten Fällen sind es zwei Burschen, Mann und Frau, die einen Kinderwagen schieben.
Juden sind vielfach in den Umzügen bezeugt, aber es gibt keine näheren Beschreibungen ihrer Verkleidungen.
Auch als Mühlrad bekannt. Ein Holzbalken, von Pferden gezogen, auf welchem schräg ein Wagenrad montiert ist Auf ihm sitzen zwei lumpig verkleidete Kerweburschen.
Kerbbursche, der auf dem Rücken eine Käiz (Kiepe) mit Federvieh trägt.
Kerbbursche mit Kiepe auf dem Rücken, in der Weidenruten stehen. Mit Hilfe dieser Ruten wurden die Maulwürfe aus ihren Gängen getrieben und gefangen.
Die betreffenden Kerweburschen werden in Längsstroh gestellt und dieses ringförmig auf sie gebunden. Ein Spitzer Strohhut aus dem gleichen Material bildet die Kopfbedeckung.
Ein Kirmesbursche trägt in einem Weidenkorb auf dem Rücken eine ausgestopfte Kinderpuppe.
Ein Kerbbursche verkleidet sich als Fell oder Strohbär und wird am Kerbmontag herumgeführt.
Eckdaten
Categories:
Region
Odenwald
Autor/in
Thomas Maul