Hersfelder Tracht

Vorstellung

Die Trachten im Landkreis Hersfeld sind nahezu unbekannt, obwohl, in dieser ländlich geprägten Region, die Trachtenkleidung noch auf vielen Dörfern bis in die 60er Jahre von der älteren Genration getragen wurde.

Da diese Region überwiegend protestantisch ist, sind die Trachten relativ schlicht und in gedeckten Farben gehalten. Zur Hersfelder Tracht gehören, neben dem Hersfelder Raum auch die Dörfer aus dem Aulatal (Kirchheim) bis Oberaula und die Gemeinden aus dem Landecker Amt (Schenklengsfeld, Friedewald, Malkomes, Lautenhausen und Ausbach). Die getragene Tracht unterscheidet sich in den einzelnen Dörfern nur durch Kleinigkeiten, z.B. andere Farben der Frauenschürzen, etwas andere Leibchen, die Männerjacken oder bessere Stoffe der Männerhosen (aus Hirschleder oder Stoff).

Die Haube, oder Bätzel, der Frauen, wurde in einigen Dörfern vom Schnitt her etwas größer angefertigt und üppiger bestickt. Da die Tracht in der gesamten Hersfelder Region nicht sehr unterschiedlich war, gab es auch keine Probleme wenn eine Braut oder Bräutigam aus Schenklengsfeld in den Besengrund heiratete. Die Tracht, die mitgebracht wurde, konnte auch im neuen Dorf getragen werden ohne besonders „aufzufallen“. Doch gerade die etwas andere Tracht gefiel. Sie wurde kopiert und nachgeschneidert. Auch dies mag dazu beigetragen haben, dass sich die Trachtenkleidung in unserem Gebiet immer mehr angeglichen hat.

Die Männertrachten waren teilweise, wohl auch bedingt durch die Militärzeit, nach 1920 schon städtischer geworden. Natürlich wurde die Tracht auch etwas an den Zeitgeist angepasst.

Durch die vielen in Hersfeld ansässigen Tuchfabriken wurden neue leichte Stoffe hergestellt. Viele Leute arbeiteten in den Fabriken und bekamen die Stoffe dort günstig zu kaufen. Für die Trachtenschneiderinnen waren diese Produkte leichter zu verarbeiten, hinzu kam noch der Einfluss der städtischen Kleidung. Diese brachten vor allem die Mädchen, die in Kassel oder Frankfurt im Haushalt arbeiteten, auf ihrem Heimatbesuch mit. Die Trachtenschneiderinnen, die jahrzehntelang die Jacken, Röcke und Schürzen immer nach dem gleichen Schnitt genäht hatten, mussten sich nun umstellen und nähten nun „neumodsch“. Das heißt, die Jacken (Oberteile) wurden hochgeschlossen, mit Spitze, Samt und Schleifen verziert. Für die Schürzen wurden jetzt Stoffe aus Seide verarbeitet. Den Trägerinnen gefiel die neue Mode, sie war leichter, teils waschbar und man fühlte sich darin ein wenig „befreit“. Ab 1920-30 begann sich langsam, die bis dahin bodenständige Tracht zu verändern.

Neben der Frauen- und der Männertracht existieren folgende besondere Ausführungen der Tracht:

  • Sonntagstracht
  • Brauttracht
  • Abendmahltracht
  • Arbeitstracht
  • Sommertracht

Frauentracht

Frau in Hersfelder Tracht
Frau in Hersfelder Tracht
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Kopfbedeckung, Haartracht

Hersfelder Tracht Haube
Hersfelder Tracht Haube
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Die Haare sind hochgesteckt und zu einem „Knatz“, einem Dutt gedreht. Auf den Knatz wird die Haube „Bätzel“ oder „Hubbel“, eine Bänderhaube gesetzt. Sie ist aus schwarzem Seidenstoff gefertigt. Die Rückseite der Haube, der Spiegel, ist mit bunten Perlen bestickt, das Motiv ist fast immer ein Herz, ein Lebensbaum und Rosen. Schwarze Moirebänder sind seitlich auf der Haube befestigt und werden unter dem Kinn gebunden. Unter dem Spiegel sind schwarze Bänder zur Schleife aufgesteckt, deren Ende lang über den Rücken fällt. Zu Festen wird die schwarze Schleife durch bunte Bänder ersetzt.

Das Schnierheit

Das Schnierheit
Das Schnierheit
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Das Schnierheit, der Name kommt vom „schnüren“ um den Schnatz auf dem Kopf, war ursprünglich die Brautkrone und wurde zur Hochzeit noch mit langen weißen Bändern geschmückt. Die Brautjungfern und unverheirateten Mädchen trugen ebenfalls zur Hochzeitfeier das Schnierheit. Aber auch zu Kindstaufen war es üblich von jungen Mädchen das Schnierheit zum Kirchgang zu tragen.
Das Schnierheit, sieht aus wie ein üppiger Blumenkranz. Es besteht aus drei Teilen, die auf dem Kopf um den Knatz (Dutt) geschnürt werden. Jedes Teil besteht aus einem breiten rotem Band auf das viele Seidenblumen, rote Schleifen und Perlen aufgenäht sind. Es gibt ein Stirnteil, ein Hinterhauptteil und das Oberteil, den sogenannten Deckel. Das Hinterhauptteil ist mit großen, langen, bunten Glasperlen verziert, die bis in den Nacken der Trägerin baumeln. Dazwischen sind aus gestanztem Goldpapier Glücksbringer, wie ein Kleeblatt, Sonne, Mond, und Sterne aufgenäht.

Die Glasperlen verkauften in früherer Zeit die Glasbläser aus Thüringen, die mit der Kötze auf dem Rücken zu Fuß auf den alten Handelswegen in unsere Dörfer kamen. Das Schnierheit, auch „Flitterheit“ genannt, ist ein besonders schöner Schmuck zu unserer, doch etwas schlichten Tracht. Es durfte nur von jungen, unverheirateten Mädchen getragen werden. Wurde eine junge Frau die nächsten vier Wochen nach ihrer Hochzeit zu einem Fest eingeladen, durfte sie ihr „Schnierheit“ noch einmal tragen, danach nicht mehr, denn dann waren die „Flitterwochen“ vorbei. Danach wurde die „Bätzel“ getragen, denn die Jugendzeit war nun vorüber.

Hemd, Weste, Jacke

Hersfelder Tracht Hemd
Hersfelder Tracht Hemd
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Über einem weißen Leinenhemd, welches am Ärmelbund schwarz oder weiß bestickt ist, wird ein „Leibchen“ getragen. Das „Leibchen“, die Weste, ist aus Samt oder farbigen Leinen und am Ärmelausschnitt mit bunten Borten verziert. Darüber wird ein schönes Rosentuch oder ein Seidentuch getragen.

Gegen Kälte wird eine schwarze Strickjacke getragen. Wird eine Jacke aus Tuch getragen, lässt man das bestickte Leinenhemd und die Weste weg, zieht ein einfaches Leinenhemd an und trägt nur die Jacke. Diese ist aus feinem Tuch, und wird vorne mit verdeckten Haken und Ösen geschlossen. Sie ist mit Spitze, Samtbändern und Rüschen besetzt, oder auch gesmokt. Fast immer haben die Jacken einen Stehkragen, der mit Stäbchen gestützt ist.

Die Ärmel sind weit geschnitten (sogenannte Schinkenärmel) und verlaufen zum Handgelenk in ein schmales Bündchen. Dieses ist mit Samtband oder Schleifen verziert. Dadurch wirkt die Jacke sehr elegant.

Rock, Schürze

Hersfelder Tracht Rock und Schürze
Hersfelder Tracht Rock und Schürze
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Der Rock besteht aus braunem, blauem oder grünem Tuch. Der hintere Teil wird in viele schmale Falten gelegt, während der vordere Teil, über den die Schürze getragen wird, glatt, also ohne Falten ist. Für einen Rock benötigt man 4,20 m Stoff. Durch die tief eingelegten Falten bekommt der Rock einen schönen Schwung. Der Rocksaum ist mit einer bunten Borte oder einem breiten Samtband besetzt. An der Saumkante ist die „Besenborte“ angenäht. Dadurch wird der Rock bei Bodenberührung nicht so schmutzig. Man trägt ihn knapp knöchellang.

Über dem Rock trägt man eine farbig passende Seidenschürze mit einer Seidenschleife oder eine Schürze auf die zwei bunte Bänder aufgesteckt werden.

Außer dem Leinenhemd, gibt es auch noch das „Tanzhemd“. Dieses hat dreiviertel lange Tulpenärmel, die mit roten Kreuzstichmotiven bestickt sind. Zum Tanzhemd wird ein roter Rock, der auch Kirmesrock genannt wird, mit weißer Schürze getragen. Dazu ein weißes Leinentuch. Der rote Rock wurde früher nur am Kirmestanz getragen. Das Tanzhemd mit dem roten Rock durfte nur von den jungen Mädchen getragen werden. Die verheirateten Frauen trugen den Rock als Unterrock.

Unterwäsche

Weiße Leinenunterhosen mit Gummizug und Spitzenbesatz am Bein. Darüber wird ein buntes Strumpfband getragen. Oder man trägt einen weißen, mit Spitze verzierten Leinenunterrock. Wenn es sehr kalt ist werden auch mehrere Flanellunterröcke übereinander getragen.

Strümpfe, Schuhe

Die Strümpfe sind aus weißer Wolle im Lochmuster gestrickt. Die älteren Frauen tragen auch dunkelblaue Strümpfe.

Die Schuhe sind aus schwarzem Leder oder aus schwarzem Samtstoff. Es gab aber auch Straminschuhe. Der Stramin wurde im Rosenmuster bestickt. Dann ließ man die Schuhe vom Schuster mit Ledersohlen und Absatz versehen. Man nennt sie Kommodschuhe.

Männertracht

Mann in Hersfelder Tracht
Mann in Hersfelder Tracht
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Kopfbedeckung

Als Hut wird ein schwarzer Filzhut, ein Dreispitz, getragen. Der Junggeselle trägt die Spitze nach vorne gerichtet, der Verheiratete trägt die breite Seite nach vorne. Im Volksmund heißt das „nun hat er ein Brett vor dem Kopf“. Im Sommer wird ein Strohhut getragen.

Jacke, Hemd, Weste

Die Jacke besteht aus blauem Tuch mit silbernen Knöpfen. Darunter eine rote Tuchweste, ebenfalls mit silbernen Knöpfen. Wenn es warm ist, wird auch nur die rote Weste getragen.
Das Hemd ist ein weißes Leinenhemd, mit weiten, in Falten gelegten Ärmeln, die am Bund weiß bestickt sind. Um den Hals ein rotes Baumwolltuch.

Hose, Hosenträger

Schwarze Kniebundhose aus Tuch. Aus der rechten Hosentasche schaut das „Specktuch“, ein rotes Baumwolltuch heraus. Außerdem noch Hosenträger. Es sind dies auf Stramin, im Rosenmuster gestickte Hosenträger.

Strümpfe, Schuhe

Der Mann trägt weiße Wollstrümpfe. Dazu schwarze Lederschuhe mit Silberschnallen.

Quellenverzeichnis

Literaturempfehlungen

  • Miehe, Brunhilde: Der Tracht treu geblieben. ISBN 3-9801197-777

HVT-Gruppen mit Hersfelder Tracht

Leonie Hess

Volkstanzgruppe im Radsportverein „Solidarität“ 1925 Ludwigsau-Tann e.V. (RSV)
Leonie Hess
vtg_ludwigsau@rsv-tann.de
www.vtg-tann.de/

Beate Hartwig-Schietrumpf

„Die Aulataler“ Volkstumsgruppe Kirchheim e.V.
Beate Hartwig-Schietrumpf
ha-schie@gmx.de
www.die-aulataler.de/

Renate Willhardt

Volkstanz- und Trachtengruppe Oberaula e.V.
Renate Willhardt
vtgoberaula@freenet.de

Ingeburg Habermehl

Volkstanz- und Trachtengruppe e.V. Malkomes
Ingeburg Habermehl
ingeburg.habermehl@hvt-hessen.de

Claudia Krapp

Folklore-Gruppe Friedewald 1972 e.V.
Claudia Krapp
fgf-vorstand@web.de
www.folklore-gruppe-friedewald.de

Alfred Ries

Trachten- und Volkstanzgruppe Lautenhausen e.V.
Alfred Ries
alfred.ries@gmx.de
www.tvg-lautenhausen.de

Anneliese Diehl

Volkstanz- und Trachtengruppe Ausbach
Anneliese Diehl
diehlanne@gmx.de

Fotogalerie